J.H. fehlt

06. Okt. 2013, 08:49 walterst

J.H. fehlt

fehlt er? Die von mir sehr verehrte, dem Landesfürsten immer Paroli geboten habende Antonia Gössinger heute in der Kleinen: Jörg Haider fehlt Der verstorbene Landeshauptmann fehlt den Menschen, denen er zugehört hat, er fehlt, um zur Verantwortung gezogen werden zu können, und er fehlt Journalisten, findet Antonia Gössinger. Birgit war sieben Jahre alt, als Jörg Haider 1999 zum zweiten Mal Kärntner Landeshauptmann wurde. Sie machte ihm eine Zeichnung zum Geschenk. Er bedankte sich ein paar Tage später mit einer wertvollen Silbermünze. In der kindlichen Vorstellungskraft war Haider zum König von Kärnten gekrönt worden. Tatsächlich war es der Beginn einer beispiellosen Alleinherrschaft mit gelegentlichen roten oder schwarzen Mehrheitsbeschaffer-Diensten. Zuerst galt es, die Verwaltung personell auf Linie zu bringen. Dann schritt er zur Vergesellschaftung Kärntens: Eine Landesgesellschaft nach der anderen wurde gegründet, mit dem Ziel, Entscheidungen und Geldströme dem Mitspracherecht der übrigen Regierung zu entziehen. Sukzessive wurde die Demokratie unterminiert, gelegentlich kritische Geister in der Regierung bei Beschlüssen ausgetrickst. Dem Landtag hat Haider später die Rechnungsabschlüsse gar nicht mehr vorgelegt, weil ihm die Entlastung nicht sicher war. Munter wurde der Rechtsstaat gebeugt, Ortstafeln verrückt, statt zweisprachig aufgestellt zu werden. Menschenrechte wurden am Demagogie-Altar geopfert, Asylbewerber kriminalisiert, außer Landes oder auf die Saualm gebracht. Die Verrottung der politischen Kultur konnte ohne nennenswerte Gegenwehr der Zivilgesellschaft fortschreiten. Birgit wuchs mit der anderen Seite Haiders auf – der Seite des charmanten und ewig im Fernsehen, auf Plakaten, in Hochglanzbroschüren präsenten Jörg. Als Schnupperlehrling war sie Zaungast einer Regierungssitzung und begegnete ihm erstmals persönlich. Er konnte sich sofort erinnern, er hatte ihre Zeichnung im Büro aufbewahrt. Das gemeinsame Bild nimmt seither daheim einen dominanten Platz ein. Und als Haider starb, trauerte das Mädchen: „Jetzt habe ich ihn nie wählen können.“ Der Mensch Jörg Haider fehlt den Menschen, denen er mit seiner unnachahmlichen gewinnenden Art begegnet ist. Wie dem gebrechlichen Alt-Bauer aus dem obersten Mölltal, der im Oktober 2008 eine Tagesreise auf sich genommen hatte, um an Haiders Bahre zu treten. Bis heute hadert er damit, dass er sich nicht persönlich für die Zufahrt zu seinem entlegenen Hof hatte bedanken können. Jörg Haider hat den Menschen zugehört, hat im Gespräch mit ihnen soziale Lücken erkannt und sah es durchaus als seine Mission an, dem „kleinen Mann“ zu helfen. Er war der Vater des bundesweiten Kindergeldes, er hat die Hacklerregelung mit initiiert, er hat in Kärnten das Baby-, das Müttergeld und den Teuerungsausgleich erfunden. Nur hat er seine sozialpolitischen Ideen mit untauglichen Mitteln umgesetzt und die Menschen als Almosenempfänger aus der Handkasse des Landes vor ihm Schlange stehen lassen. Das Landesfürsten-Gehabe, seine ständigen demokratiepolitischen Grenzüberschreitungen, mit denen er das Image Kärntens so schwer beschädigt hat, die Großmannfantasien, die mit ihm durchgegangen sind und mit denen er das Land an den Rand des Ruins geführt hat, das waren die anderen Seiten des Jörg Haider. Wie hätte er das Hypo-Fass ohne Boden gestopft? Wie hätte er das Steuergeld fressende Stadion-Ungeheuer gebändigt? Wie hätte er die versickerten Millionen erklärt? Jörg Haider fehlt, um zur Verantwortung gezogen werden zu können. Hätte die Kärntner Justiz allen Indizien zum Trotz weiter so demonstrativ weggeschaut? Würde er neben seinen willfährigen Erfüllungsgehilfen auf der Anklagebank sitzen? Oder hätte er sich wie so oft zuvor in seiner über 30-jährigen Politiker-Laufbahn wieder selbst aus dem Sumpf gezogen? Wäre ihm mehr Lebenszeit gewährt gewesen, hätte er mit vielen Ablenkungsmanövern die Stunde der Wahrheit für Kärnten, die nach seinem Tod rasch eingetreten ist, noch eine Weile hinausgezögert. Denn Haider war der Meister der Ablenkung. Als einer der vielen Skandale ruchbar wurde, der Spendenskandal um das Kärnten-Dorf in Banda Aceh auf der indonesischen Insel Sumatra, thematisierte er das Moscheen-Bauverbot für Kärnten. Niemand hatte damals bis heute die Absicht, eine Moschee zu bauen. Tagelang beherrschte Haider damit die Schlagzeilen nicht nur der österreichischen, sondern auch ausländischer Medien. Kärntner Journalisten, die auf die Ablenkung nicht einsteigen wollten, standen auf verlorenem Posten und mussten sich dem Thema ebenfalls widmen. Was aus dem Moscheen-Bauverbot geworden ist? Der unbestimmte Passus im Gemeindeplanungsgesetz, wonach Bauten von einer Kommission auf ihre Ortsüblichkeit geprüft werden sollen. Für solche Kraftproben zwischen der politischen Agitation eines begnadeten Populisten und dem journalistischen Anspruch, diese Hintergründe zu enttarnen, fehlt Jörg Haider. Birgit studiert mittlerweile in Wien. Jörg Haiders Bild hat sie daheim gelassen. Er hat sie auch so begleitet. Wann immer es bei Vorlesungen im Verfassungsrecht um absurde Beispiele geht, muss der „Sonderfall Kärnten“, zu dem Haider das Land gemacht hat, herhalten.

Antworten: 5

06. Okt. 2013, 09:27 sturmi

J.H. fehlt

Sehr gute Analyse über das Leben und Handeln des Jörg Haider! Damals hielten ihn viele für einen Führer der Österreich von den alten verkrusteten Strukturen befreien kann. Was Haider mit Kärnten gemacht hat ist inzwischen bekannt und es ist echt schade das die Ö-Version eines Berlusconi nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden kann. MfG Sturmi

06. Okt. 2013, 09:41 eigenjagler

J.H. fehlt

walterst stehst auch auf der Gehaltsliste von ÖVP und Raika?

06. Okt. 2013, 10:12 freidenker

J.H. fehlt

Hallo, also echt liabe geschichte. Eine person soll für alles verantwortlich sein, keine mitwisser, keine seilschaften. Ist evt. ein blöder vergleich aber das wär genauso wie wenn ich sag für den 2wk ist allein a.H. verantwortlich. Bei den geschäften haben noch viele unentdeckte mitkassiert . Trotzdem nette geschichter von Frau A.G. mfg

06. Okt. 2013, 10:39 Fallkerbe

J.H. fehlt

@walterst, schöne umschreibung

06. Okt. 2013, 11:23 edde

J.H. fehlt

treffende Abhandlung von Frau Gössinger--über einen Toten! allerdings gäbe es dennoch reichlich Ersatz in ihrem journalistischen Anspruch wie sie selber schreibt,Hintergründe zu enttarnen. fangen wir gleich stellvertretend mit dem Umstand an, dass im vergangenen Jahr die staatliche Förderung für Zeitungen glatt verdoppelt wurde ,und nur dank Internet dies publik wurde. das gleiche gilt für die Bestechungsinserate der Regierung bzw verlängerter Arm in Höhe vieler Millionen Euro.

ähnliche Themen

  • 0

    Allzweckmotorsäge

    husquarna - was sonst

    soamist2 gefragt am 07. Okt. 2013, 07:48

  • 1

    Rotbunt Stier

    Hallo, kann mir von euch wer sagen wo in Österreich regelmäßig Rotbunt Stiere versteigert werden? Gibt es bei den Versteigerungsorten Termine wo besonders viele Stiere versteigert werden? Für eure Hil…

    71herbert gefragt am 06. Okt. 2013, 22:10

  • 2

    Der totale Zusammenbruch kommt!

    Na, jetzt kommt es Faustdick! Ist nur eine Frage der Zeit. Euro-Zusammenbruch. Schuldenchaos. Wirtschaftskrise. Der totale Zusammenbruch kommt! Der Euro versinkt im Chaos! Ihr Geld ist in Gefahr. Alle…

    grasi1 gefragt am 06. Okt. 2013, 21:35

  • 0

    Beitrag gelöscht

    Warum wurde der Beitrag gelöscht über den Besoffenen der mit der Motorsäge randaliert hat? War irgend etwas anstößiges in dem Zeitungsbericht und ich habe es überlesen?

    sisu gefragt am 06. Okt. 2013, 21:20

  • 0

    Kufladen Verkauf

    Neue Einnahmequelle Verkauf von getrokneten Kufladen

    Sperre_234 gefragt am 06. Okt. 2013, 20:07

ähnliche Links