Erntedank

20. Sept. 2010, 19:00 kotelett

Erntedank

Heute wurde im Französichen Dom zu Berlin die Erntekrone der deutschen Landwirtschaft an Bundespräsident Christian Wulff übergeben. Der Journalist Dirk Maxeiner wurde gebeten, zu dieser traditionellen Erntedank-Veranstaltung während des Festaktes eine kleine Rede zu halten. Hier ist sie (PS: Der Text ist etwas länger, aber die Lektüre lohnt sich): Sehr geehrter Herr Bundespräsident, meine Damen und Herren, die Kirche ist heute voll. Das ist schön. Aber, wie sie wissen, eher die Ausnahme. Die neuen Kathedralen des dynamischen und aufgeklärten Stadtbewohners sind eher die Fitness-Studios. In einer säkularisierten Welt bleibt das Bedürfnis nach Seelenheil und Sinnstiftung offenbar konstant. Und so suchen sich viele Menschen eine Ersatzreligionen. Davon gibt es viele, das Angebot ist groß. Der Körper- und Gesundheitskult ist nur eine davon. Ich will das hier nicht werten und auch nicht abwerten. Es führt aber dazu, dass eine Gesellschaft plötzlich vollkommen andere Anforderungen an das tägliche Brot stellt. An der Fitnesstheke bestellt sich der moderne Mensch einen Energydrink und ein Proteinpräparat. Und dann noch ein paar Vitaminpillen oben drauf. Ein Werbeslogan formuliert den Glaubenssatz dazu: „Für immer schlank“. Früher wurde ein Lebensmittel daran gemessen, was darin enthalten ist. Kalorien, Butter, Eier, Zucker oder Speck galten als erstrebenswert. Heute ist es genau umgekehrt. Ein Lebensmittel wird daran gemessen, was nicht drin ist. Es geht schon lange nicht mehr ums satt werden. Es geht um: Gesundheit, Fitness, Schlankheit, ewige Jugend und Schönheit, Prestige, Distinktion und Unterscheidung von der Masse. Und es geht um Wertvorstellungen und Sinnstiftung. Lebensmittel sollen umwelfreundlich und klimafreundlich sein. Und sie sollen in jeder Weise moralisch und ethisch vorbildlich produziert werden Das ist völlig in Ordnung. Es ist aber ziemlich viel auf einmal verlangt. Ein Landwirt hat es heute nicht leicht. Insbesondere deshalb, weil beim anspruchsvollen Endverbraucher die Einsicht in einfache Zusammenhänge oft völlig verloren gegangen ist. Dafür möchte ich ein Beispiel anführen: Eine wachsende Zahl von Menschen lehnt den Verzehr von Tieren ab und möchte sich vegetarisch ernähren. Das ist nichts dagegen zu sagen. Die gleichen Menschen fordern aber oft, dass Lebensmittel nur noch im Biolandbau angebaut werden sollen. Nun brauchen sie im Biolandbau tierischen Dünger weil mineralischer Dünger nicht erlaubt ist. Sie brauchen sogar reichlich tierischen Dünger. Keine Nutztierhaltung mehr, heißt keinen tierischen Dünger mehr und damit keinen Biolandbau mehr. Ich möchte diese Dinge nicht Dinge gegeneinander auszuspielen, sondern als Beispiel für Zielkonflikte anführen, denen ein Landwirt heute ausgesetzt ist. Was auch immer der Bauer macht, es wird oft als falsch empfunden. Bleiben wir ganz kurz noch beim Dünger. Viele fordern aus Umweltgründen den gänzlichen Verzicht auf Kunst- oder Mineraldünger. Ich möchte an dieser Stelle nicht darauf eingehen, bb zu recht oder unrecht. Aber eines ist klar: Ohne Kunstdünger würden die Landwirte der Welt wegen der geringeren Erträge nur etwa die Hälfte der Menschheit ernähren können. Und das ist ja nun moralisch und ethisch wirklich nicht erstrebenswert Wir neigen dazu von unserer kleinen Insel der Glückseeligen die Welt zu betrachten. Und das nicht nur in Deutschland. Es sind die urbanen Eliten überall in den wohlhabenden Ländern, die den Diskurs über Lebensmittel beherrschen. Das sind meistens kluge Kluge Menschen, sie haben aber in der Regel ein völlig romantisiertes Bild vom Leben auf dem Lande. Sie wissen nicht, dass das Leben auf Opas Bauernhof alles andere als erstrebenswert war. Ich bin in der Eifel aufgewachsen und habe mit Söhnen und Töchtern von Bauern die Schulbank gedrückt. Keiner von denen wollte den elterlichen Betrieb übernehmen, weil sie wussten was das für ein harter Job ist. Sie sind lieber Polizist oder Lehrer geworden. Landromantik ist ein Gefühl von Städtern, die selbst niemals bereit wären, 35-Stunden Woche, Urlaub und Freizeitgestaltung gegen die harte Arbeit im Stall und auf dem Feld zu tauschen. Ich möchte hier und heute anlässlich von Erntedank deshalb mal denen danken, denen sonst nicht oder selten gedankt wird. Zunächst einmal den jungen Menschen, die überhaupt bereit sind einen landwirtschaftlichen Betrieb zu übernehmen. Die meistens Betriebe werden ja aufgegeben, weil sich kein Nachfolger findet. Ein Bauer muss schon ein Überzeugungstäter sein. Die Qualifikationen für diesen Beruf sind mittlerweile genauso groß wie in einem leitenden Job in einem Industriebetrieb, die Verantwortung ist meist größer. Dazu kommt gleichsam ununterbrochener Bereitschaftsdienst. Und dann muss man auch noch einen Lebenspartner finden, der bereit ist das alles mitzumachen. Ich wünsche jungen Bauern deshalb, dass es Ihnen gelingt, ein modernes Wirtschafts-Unternehmen aufzubauen, wie das vielfach ja schon geschehen ist. Werden Sie erfolgreiche Unternehmer, das ist das nachhaltigste, was sie tun können. Die zweite Gruppe, der ich danken möchte, sind die vielen Techniker, Ingenieure, Wissenschaftler und Forscher, die mit immer neuen Mehtoden und Ideen helfen, die Erträge zu steigern. Die Erde steuert in diesem Jahrhundert auf zehn Milliarden Menschen zu. Mehr Ackerland haben wir nicht, sonst müssten wir die letzten Naturgebiete zerstören. Wer die Menschheit also auch in Zukunft ernähren will, muss auf der gleichen Fläche beinahe doppelt so viele Lebensmittel anbauen wie heute. Das ist eine ganz einfache Rechnung. Und deshalb sollten wir zunächst einmal über alle Ideen und Lösungsansätze froh sein, egal ob bio, öko, konventionell oder unkonventionell. Es wird nicht ohne Intensivierung gehen. Das ist aber bei uns ein böses Wort. Und diejenigen, die daran arbeiten, werden als Giftmischer oder Frankenstein bezichtigt. Auch das zeugt von großem Unwissen. Die Natur ist keine freundliche, friedfertige Mutter. Sie hat Klauen und Zähne. Durch Ratten übertragene Krankheiten haben mehr Menschen dahin gerafft als alle Kriege und Revolutionen zusammengenommen. Mutterkorn im Getreide hat ganze Landstriche entvölkert. Die Biblischen Plagen sind ja nicht erledigt. Schädlingsplagen vernichten heute noch große Teile der Ernte in vielen Regionen. Würden die Bauern wirklich auf Pestizide verzichten, müssten wegen der geringeren Erträge viele Millionen Menschen verhungern. Natürlich müssen wir mit solchen Mitteln verantwortungsbewusst umgehen. Aber eines ist klar: Die Risiken ihrer Anwendung sind sehr, sehr viel geringer, als das Risiko ihrer Nicht-Anwendung. Diese beiden Dinge müssen immer gegeneinander abgewogen werden, wenn man zu einer rationalen Entscheidung kommen will. Und nun möchte ich noch einer dritten Gruppe danken, die sie vielleicht überraschen wird. Ich möchte denjenigen Verbrauchern danken, die ab und zu Bohnen aus Kenia und Äpfel aus Südafrika kaufen. Es fehlt ja nicht an Appellen Lebensmittel nur noch aus der Region zu beziehen. Das ist häufig auch vernünftig. Aber häufig ist es auch nicht richtig. Erstens kann die Energiebilanz durchaus für von weit her transportierte Ware sprechen, wenn sie unter klimatisch günstigeren Bedingungen oder mit effizienteren Methoden erzeugt wird. Zweitens, und das ist ein noch viel wichtigeres Argument, sind landwirtschaftliche Produkte oft das einzige, was Entwicklungsländer exportieren können. Ich habe gerade mit einer Journalistengruppe eine Cooperative ehemaliger schwarzer Wanderarbeiter in der Nähe des südafrikanischen Port Elisabeth besucht. Sie haben sich dort eine kleine Farm aufgebaut die immerhin 200 bis 300 Personen Arbeit gibt. Und sie suchen händeringend nach Möglichkeiten ihre Ware in Europa zu verkaufen. Es war beinahe rührend wie sie uns um Kontakte baten, die ihnen mit ihrer Ware Zugang zu unseren Lebensmittel-Geschäften und Supermärkten verschaffen könnten. Wollen wir denen jetzt sagen: „Geht leider aus ökologischen Gründen nicht. Wir wollen euer Zeugs nicht. Es kommt von zu weit her.“ Das hieße konkret ihnen die Entwicklungsmöglichkeiten zu rauben. Kann das richtig sein? Und dies ausgerechnet von einem Land, das sich Export-Weltmeister nennt? Zum Schluss möchte ich daher dem Lieben Gott danken für die Fähigkeit, die er uns gegeben hat, um uns selbst zu helfen. Mehr angewandte Vernunft und weniger Ideologie und Dogmatismus wäre der schönste Ernte-Dank, dem man ihm erweisen könnte.

Antworten: 6

20. Sept. 2010, 19:59 50plus

Erntedank

Danke kotelett, für diesen Eintrag! lg 50plus

20. Sept. 2010, 19:59 helmar

Erntedank

Ein ganz grosses Dankeschön fürs Reinstellen! Mfg, Helga

20. Sept. 2010, 20:13 sturmi

Erntedank

Eine Rede mit Hausverstand! Doch die Biolixe werden weiterhin mit Bio die Welt ernähren und Esels brauchen keine Nutztierhaltenden konv. Bauern! ;-) MfG Sturmi

20. Sept. 2010, 21:24 palme

Erntedank

Wenn der Text auch etwas länger ist, er ist es wirklich wert, auch alles durchzulesen!!!

21. Sept. 2010, 07:40 sturmi

Erntedank

Im wesentlichen geht´s um diese Punkte! Der Biolandbau kann die Welt nicht ernähren und ohne Nutztierhaltung käme es zu einer Hungerkatastrophe! Eine wachsende Zahl von Menschen lehnt den Verzehr von Tieren ab und möchte sich vegetarisch ernähren. Das ist nichts dagegen zu sagen. Die gleichen Menschen fordern aber oft, dass Lebensmittel nur noch im Biolandbau angebaut werden sollen. Nun brauchen sie im Biolandbau tierischen Dünger weil mineralischer Dünger nicht erlaubt ist. Sie brauchen sogar reichlich tierischen Dünger. Keine Nutztierhaltung mehr, heißt keinen tierischen Dünger mehr und damit keinen Biolandbau mehr. Viele fordern aus Umweltgründen den gänzlichen Verzicht auf Kunst- oder Mineraldünger. Ohne Kunstdünger würden die Landwirte der Welt wegen der geringeren Erträge nur etwa die Hälfte der Menschheit ernähren können. Die Erde steuert in diesem Jahrhundert auf zehn Milliarden Menschen zu. Wer die Menschheit also auch in Zukunft ernähren will, muss auf der gleichen Fläche beinahe doppelt so viele Lebensmittel anbauen wie heute. Würden die Bauern wirklich auf Pestizide verzichten, müssten wegen der geringeren Erträge viele Millionen Menschen verhungern. Das ist eine ganz einfache Rechnung und kann von Esoterikern, Ideologen und Tierschützern weiterhin ignoriert werden, aber das ist die Realität der wir uns alle stellen müssen! MfG Sturmi

23. Sept. 2010, 10:28 Else

Erntedank

„Heute wurde im Französichen Dom zu Berlin die Erntekrone der deutschen Landwirtschaft an Bundespräsident Christian Wulff übergeben. Der Journalist Dirk Maxeiner wurde gebeten, zu dieser traditionellen Erntedank-Veranstaltung während des Festaktes eine kleine Rede zu halten.“ Diese Botschaft sollte einen schon stutzig machen. Ja, schön sprechen kann er, der eine von den Zwillingen Miersch/Maxeiner. Von Maxeiner kann man nicht erwarten, daß er weiter denkt als es die Industrie-Lobby den Mietmäulern vorgibt. Für viel Geld vermieten sie ihre Mäuler. Auch eine Art Prostitution. „Mietmäuler“: Sie loben die Gentechnik, den Pestizideinsatz, die Massentierhaltung, die Globalisierung und loben ein bisschen auch die „Kleinen“. Es bisschen mehr kritisches Hinterfragen hätte ich Euch schon zugetraut. Ein Beispiel aus dem Internet: „ …. Einst waren Maxeiner und Miersch Umweltjournalisten bei der Zeitschrift „Natur“. Danach nur noch Journalisten, die bei Hoechst „in Lohn und Brot“ standen. Sie machten für den Chemie-Multi „phantasievolle Pressearbeit“ (Handelsblatt) als Textchefs der umstrittenen Hoechst-Zeitschrift „Change“. 1996 fiel ihr gemeinsames Buch „Öko-Optimismus“ unangenehm auf mit verbalen Attacken gegen „Pseudo-Ökos“, „Ökoheuchler“, „Ökopharisäer“, „Ökochonder“, „Ökopriester“, „Ökopäpste“, „Ökoromantiker“, „Öko-Stalinisten“ und so weiter...“ Mit zB dieser Äußerung aus Maxeiners bestellten „Rede“ hält er Menschen für besonders dumm, warum wohl? „Ich möchte denjenigen Verbrauchern danken, die ab und zu Bohnen aus Kenia und Äpfel aus Südafrika kaufen. Es fehlt ja nicht an Appellen Lebensmittel nur noch aus der Region zu beziehen. Das ist häufig auch vernünftig.“

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