Finanzkrise am Beispiel Milchwirtschaft

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  15-11-2008 09:15  walterst
Finanzkrise am Beispiel Milchwirtschaft
Schon wieder einer, der keinen blassen Schimmer von Markt und Wirtschaft hat

Kleine Zeitung

DEBATTE

JOHANN NEUNER

über die Finanzkrise am Beispiel der Milchwirtschaft

Die Milch der frommen Denkungsart

In der Globalisierung
werden die Kosten für
die Umweltbelastung
auf die Öffentlichkeit
abgewälzt.

Die Lebensmittelpreise in Österreich liegen um 25 Prozent über jenen in Deutschland. Schuld daran ist der fehlende Wettbewerb, da einige wenige Lebensmittelketten den gesamten Markt beherrschen. Eine solche Konstellation (Oligopol) führt zu Preisdiktaten – ein weiteres Beispiel ist der Strommarkt.

Um von dieser Tatsache abzulenken, haben die Lebensmittelkonzerne die Milch als Lockmittel für die Kunden auserkoren und den Preis gesenkt. Die Leidtragenden dieser PR-Maßnahme sind jedoch die Milchbauern, die aufgrund des Preisdrucks nicht mehr kostendeckend produzieren können. Steigende Einstandspreise und sinkende Verkaufspreise führen zu einer Existenzvernichtung jener Betriebe, die ein Garant für die Kulturlandschaft in Österreich sind.

Bei einer Verhandlung zwischen einem Oligopolisten und einem Molkereibetrieb heißt die Devise „Friss oder stirb“. Wenn nämlich der Molkereibetrieb den Kunden verliert und ausgelistet wird, kann auch dieser zusperren.

Den Lebensmittelkonzernen scheint es egal zu sein, ob die Milch aus dem Inland kommt oder aber Tausende Kilometer herbeigeschafft werden muss. Das Zauberwort der Globali–sierung heißt Gewinnmaximierung. Und die Kosten der Umweltbelastung werden auf die Öffentlichkeit abgewälzt. Wir Österreicher glauben, in einem Paradies zu wohnen, und zwar in einem Land, wo Milch und Honig fließen. Die globalisierte Finanzkrise hat uns jedoch bereits das Gegenteil gelehrt. Die Milchpreisdiskussion ist letztlich nichts anderes als ein Spiegelbild der Finanzkrise. Die Politiker schauen so lange untätig zu, bis ganze Gesellschaftsstrukturen implodieren.

In Zeiten wie diesen ist die Milch der frommen Denkungsart sauer geworden. Die Milchbauern verlieren ihre Existenzgrundlage, da ihr Produkt zum Spieleinsatz der Lebensmittelkonzerne auserkoren wurde.

Wer die Spielregeln einer globalisierten Warenwirtschaft durchschaut, weiß, dass ohne einen staatlichen Eingriff keine Trendumkehr gelingen kann. Aber der Staat ist den Interessen der Konzerne verpflichtet, und daher wird nach dem Greißlersterben auch ein Ende der Milchbauern eingeläutet.

Friedrich von Schiller hat in seinem Drama „Wilhelm Tell“, dem das überschriftliche Zitat entnommen wurde, nachfolgend ausgeführt: „Dich jedes Greuels straflos zu erfrechen: Es lebt ein Gott, zu strafen und zu rächen“. Ein schwacher Trost für die Leidtragenden – Gerechtigkeitserfüllung im Jenseits.

Und der diesseitige Ausweg aus dieser Fehlentwicklung: Lieferboykott aller Milchbauern in Österreich und Nachfrage der Konsumenten nach heimischen Produkten. Nur dann müssten auch die Konzernmanager umdenken.

Johann Neuner ist Wirtschaftsprüfer in Klagenfurt.



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