Europäische Agrarpolitik satirisch

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  15-06-2005 04:46  cat
Europäische Agrarpolitik satirisch

Es hat vor 20, 25 Jahren eine kleine, feine friedlich grasende Herde Rinder gegeben. Die Weide war zwar recht klein, aufgrund des vielfältigen Futterangebotes entwickelten sich die Viecher recht gut. Es gab dort viele kleine und mittlere, ganz wenige große Tiere. Die Weide war von einem festen Zaun umgeben, von außen konnte nur durch das gut bewachte Tor etwas hereingebracht werden. Der Unterstand für das Vieh war ebenfalls gut, sodass das Vieh – großes wie kleines - sich gut entwickelte.
Mit der Zeit wurden die Weideflächen aber knapp, zu viele Viecher weideten auf kleiner Fläche, Ampfer und Weideparasiten breiteten sich aus. Von außen her wollten auch einige Tiere der Nachbarn auf die Weide. Der Zaun wurde stark beansprucht, ja er drohte bereits umzufallen.

Der Bauer Franz , sein Außenknecht Lois und der Stallknecht Franzi kamen zu der Ansicht, dass es das Beste wäre, den Zaun gar nicht zu erneuern, sondern die Tiere auf die größere europäische Weide zu treiben. Zuerst wollten die Viecher ihren Platz nicht so recht verlassen, aber mit dem (Förder-)Kraftfutter ist es gelungen, die Tiere auf die neue große Weide zu locken.

Auf der neuen Weide gab es die unterschiedlichsten Rinderrassen. Vom Charolais bis zu Holsteins, von Highlands bis zu Weiß-Blauen Belgiern. Der Stallknecht Franzi aus den Bergen wurde neuer Verwalter aller europäischen Rinder.

Die Weide für alle Rinder wurde indes nicht besser. Es gab große Probleme mit der Eingewöhnung, sodass sich Franzi entschloss, mit mehr Kraftfutter die hungrigen Mägen zu sättigen. Unser neuer Stallknecht Willi verordnete ein Programm zur Enthornung der österreichischen Herde; wieder wurde Kraftfutter als Lockmittel benutzt und die österreichischen Viecher kamen in Scharen. Nur ganz wenige konnten durch das Kraftfutter nicht geködert werden und behielten ihre Hörner.

In anderen Ländern hat man sich weniger um das Zusammengewöhnen geschert. Dort bekamen die Tiere zwar auch Kraftfutter, aber es wurden ihnen nur die Hornspitzen gekappt. Andere wiederum bekamen das Kraftfutter, sie wurden aber nur kurz erschreckt und dann wieder laufen gelassen.

Durch das viele Kraftfutter wurden die Viecher aber bald krank, die gehörnten und die großen konnten sich besser durchsetzen, viele Kleine verkümmerten und starben letztlich. So konnte das nicht weitergehen. Man entschloss sich, die Kleinen wieder mit Kraftfutter zu ködern und sie aus der Herde zu entfernen (Ausstiegsprämien). Es musste auch ein Kontrollprogramm gestartet werden. Tiere wurden willkürlich aus der Herde gefangen und untersucht. Nicht um festzustellen, ob das Kraftfutter etwa Schäden verursacht, sondern um zu klären, ob das Kraftfutter auch zu Recht gefressen wurde. Die großen, konkurrenzstarken, trägen Tiere mussten ja abgesichert werden, um von den hungrigen Kleinen nicht etwa verdrängt zu werden. Aber wehe den Gierigen: ihnen wurde das Kraftfutter aus dem Magen zurückgeholt – manche haben das nicht überlebt.

Die Großen wurde also immer mehr, die Kleinen immer weniger, die Weide wurde übernutzt, zu viel Mist, immer mehr Ampfer, immer mehr Parasiten.

Die großen Bauern Jakob aus Frankreich, Gerhard aus Deutschland, Tony aus England, aber auch der Kleinbauer Wolfi aus Österreich kamen zu der Überzeugung, dass sie mehr Weideflächen benötigten. Also beschloss man die Zäune zu den östlichen Nachbarn einfach niederzureißen. Die Westviecher waren davon nicht begeistert. Sie fürchteten sich vor den wilden, langhornigen Artgenossen (Ungar. Steppenrind). Aber auch die Ostviecher waren skeptisch: die fetten Westviecher könnten ihnen ihre mageren Wiesen streitig machen. Aber es half nichts, die Zäune wurden gnadenlos niedergerissen und weiter im Osten aufgestellt.

Der Verwalter Franzi hat aber schon begriffen, dass das Kraftfutter nicht reichen wird, wenn man es jetzt auf alle Viecher aufteilen will, dann bekommt keines genug. Er beschließt also, dass jede Herde seinen (un-)gerechten Teil davon bekommt. Wie das Kraftfutter in der Herde aufgeteilt wird, ist aber Sache des Bauern und seines Knechtes. Wolfi und sein neuer Knecht Seppi kommen zu der Ansicht, dass die gerechteste Aufteilung die ist, dass jedes Vieh das bekommt, was es im Durchschnitt von 2000 bis 2002 bekommen hat. Egal ob die Kuh 30 l Milch gibt oder trocken steht. Die Kuh, die in der Zeit trocken gestanden hat und erst jetzt 30 l Milch gibt bekommt nichts. Selber schuld. Das gibt natürlich Stunk. Vor allem die nicht enthornten Viecher werden immer aggressiver, die Tiere kämpfen jetzt nicht nur gegen Tiere aus anderen Herden, sondern vor allem gegenseitig. Der Knecht Seppi findet das lustig und meint nur: wir brauchen wettbewerbsfähige, gut ausgebildete Zukunftsviecher.

Aus dem Verwalter Franzi ist jetzt eine Verwalterin Mariandl geworden. Aber die Mariandl kriegt von ihren Bauern Gerhard, Tony, Jakob und dem kleinen Wolfi nicht mehr genug Kraftfutter. Sie muss sparen. Sie kann den Zaun nicht mehr reparieren, den Ampfer und die Parasiten nicht mehr bekämpfen und sie ist überhaupt der Meinung dass es sowieso zu viele Rindviecher gibt. Nur den großen gehört die Zukunft. Und außerdem: das wenige Kraftfutter taugt nichts, das Vieh braucht neue Gene, Turbomais und Megasoja werden das Vieh schon am Leben erhalten.

Die Zäune im Westen fallen schon, Hormongetränkte Texas Longhorns, Angus und Herefords aus argentinischen Feedlots mit Testosteronimplantaten drängen auf die europäischen Weiden. Die Großbauern Gerhard, Tony und Jakob und der Kleinbauer Wolfi haben sich schon einen Aufsichtsratsposten bei Unilever, Monsanto und OMV gesichert und überlassen „ihre“ Herden der Wildnis der „freien“ Marktwirtschaft.


  16-06-2005 07:50  sanBenedetto
Europäische Agrarpolitik satirisch
Der Wahnsinn!!!

  16-06-2005 22:27  biolix
Europäische Agrarpolitik satirisch
>
Schön das wer so tolle geschichten schreibt, wenns nicht so traurig wäre, danke echt nett erfunden oder doch die wirklichkeit..
lg biolix



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